- Caschmir
Caschmir. Dieses reizende asiatische Thalland, die östlichste afghanische Besitzung, grenzt an Kabulistan, China und Vorderindien. Gegen Norden schützt es der Riese Himalaya mit der erhabenen Schar seiner Genossen; von hier aus ist es unzugänglich und liegt wie eine blühende Jungfrau auf grünem, schwellendem Lager, während jene Reihe von Eisgebirgen fern die Gardine bilden und ein milder, blauer sanftleuchtender Himmel die gestickte Decke. Ein einziger Hauptfluß, der Behut, durchströmt es von Osten nach Südwesten, und nimmt alle übrigen Gewässer auf. Das Land ist außerordentlich schön, es prangt mit allen Schätzen einer milden Zone. Die Morgenländer nennen es »einen Garten im beständigen Frühling,« dem Hindu ist es »das Vaterland des Fo und der Brahminen,« die Muhamedaner betrachten es als Wiege des Menschengeschlechts, im Sanscrit heißt die Hauptstadt: »die Stadt des Heils.« Ein Reisender (Ritter) schildert es mit folgenden Worten: »Die Pracht und Erhabenheit des Kranzes von Schneegebirgen, die Lieblichkeit und der Reichthum der zu ihnen aufsteigenden Hügel und Voralpen kann von keinem Augenzeugen reizend genug ausgemalt werden. Ganz besonders aber wird der große Wasserreichthum gepriesen, den sie in das bebaute Thal hinabsenden, und die Menge der Wunderquellen, deren es allein beim Dorfe Kohran 360 gibt. Die eine Quelle stillt Durst und Hunger, bei der andern war es verdienstlich für den Hindumärtyrer, sich selbst zu verbrennen. Bei Gohar ist ein tiefer Brunnen mit Steintempeln umbaut, auf dessen Grunde, wenn das Wasser verschwand, ein Bild des Mahadeo von Sandelholz erschien. – Die Bergströme bilden die prachtvollsten Wasserfälle, der Wi ssy stürzt 400 Fuß hoch mit gewaltigem Gebrause vom Felsen herab, und oft geschah es, daß fromme Hindus zu gläubigem Opfertode in den Strudel hineinsprangen.« – Der Reichthum an Naturerzeugnissen ist groß, einige Flüsse führen Goldsand; man findet Edelsteine, Marmor, Eisen etc. Die Pflanzenwelt prangt in der üppigsten Fülle. Die Gebirgsabhänge sind mit dichten Wäldern bedeckt, worin man viele europäische Forstbäume findet. In den Gärten ragt vor allen die prächtige Platane hervor; die Ufer und sanften Bergabhänge sind mit sanftem, smaragdgrünem Rasen und üppigen Wiesen bedeckt. Ueberall wachsen Veilchen, Narcissen, Rosen etc. wild, oder werden in Gärten und auf den Dächern der Häuser gezogen, so daß die ganze Hauptstadt von einer Anhöhe wie ein großes Blumenbeet aussieht, das des Abends einen wollustathmenden Duft verbreitet. Die prächtige rothe und weiße Rose von Caschmir ist durch ganz Asien berühmt, man bereitet aus ihr treffliches Rosenöl und Rosenwasser. An den niederen Abhängen der Berge breiten sich ganze Obstbaumwaldungen aus. Man trifft alle europäische Sorten, mit Ausnahme der Kirsche. Hier gedeiht Weizen, Hirse, Reis, Tabak, Hanf, Baumwolle, Krapp, Safran etc. Besonders mit dem letzteren ist das Land bei Punpoor meilenweit bedeckt; er gewährt zur Blüthenzeit den entzückendsten Anblick. Die köstlichen Trauben gleichen denen von Madeira, die Melonen übertreffen alle andern an Wohlgeschmack. Hier ist ein unerschöpflicher Reichthum an Hausthieren, darunter zeichnet sich vornehmlich die Caschmirziege durch die außerordentliche Feinheit ihres unter den obern Haaren befindlichen Flaumes aus. Aus diesem Flaum werden die weltberühmten orientalischen S ha wls verfertigt, die eine solche Feinheit und Dünne haben, daß man sie der Länge nach zusämmengerollt durch einen Fingerring ziehen kann. – Ein giftiges Thier sucht man vergebens in dem reich gesegneten Lande, aber die Wälder und Berge wimmeln von einer Menge Hirschen, Rehen, Gemsen, Steinböcken, Bezoarziegen; doch gibt es auch Panther, Leoparden, Tigerkatzen, Bären, Wölfe. Singvögel sind sehr häufig. Das Land umfaßt 816 Quadrat Meilen, und hat eine Bevölkerung von 2 Millionen Seelen. Die Bewohner haben einerlei Abstammung mit den Hindus, weichen aber jetzt in Sprache, Sitten und Gebräuchen beträchtlich ab. Sie sind von weißer Hautfarbe, muskelkräftig, schlank, und haben schwarze Augen und Haare. Unter dem weiblichen Geschlechte findet man wahre Schönheiten In den Harems der muhamedanischen Fürsten Vorderindiens machten Frauen aus Caschmir stets die Mehrzahl aus. Der Charakter der Caschmirer ist lebhaft, gutmüthig, sanft, unternehmend; aber auch sinnlich und verschwenderisch. Sie sind Freunde der Wissenschaften, besonders der Dichtkunst, der Musik, des Gesanges und Tanzes. Die Kleidung der Vornehmen besteht in einem Hemde, langen, weiten Pantalons und einem wollenen Wamms mit weiten Aermeln. Den Kopf bedeckt ein Turban. Den Bart läßt man natürlich wachsen. Die Frauen tragen ein Oberkleid von Baumwollenzeug und eine turbanähnliche Mütze. Der Haupterwerb der Manufakturindustrie besteht in der Wollenweberei. Die Verfertigung der berühmten Shawls ist zu einer Vollkommenheit gebracht, wie in keinem andern Lande Asiens. In der Hauptstadt allein gibt es 16,000 Webestühle. Man verfertigt auch noch andere Wollenzeuge, lackirte Waaren, Zucker, Papier, Leder, wohlriechende Wasser etc. Die Einwohner bekennen sich theils zum Islam, zur Brahmanenlehre und zum Buddhaismus Die Hauptstadt des Landes ist Caschmir, an den Ufern des Behut. Die Bauart ist schlecht, selbst Paläste und Moscheen zeichnen sich nicht durch Pracht aus. Die Häuser bestehen nur aus Holz und Fachwerk. Die Einwohner, 150,000 an der Zahl, beschäftigen sich mit Shawlweberei und Handel. Man findet hier Kaufleute aus allen großen Handelsstädten der benachbarten Länder.
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