Griechenland (Frauen)

Griechenland (Frauen)

Griechenland (Frauen). Wie die alte Hellas in Allem der Prototyp der erhabenen Schönheit war; so auch in ihren Frauen. Pinsel und Meisel verewigten ihre Göttergestalten, Hymnen ertönten zu ihrem Preise, ihr Mythos personificirte die edelsten Kräfte und Empfindungen durch weibliche Gottheiten, um sie wand sich der blühende Kranz von Poesie und Kunst in reicher Fülle, ihnen waren himmelanragende Tempel geweiht, rauschende Feste gewidmet; aber – ihre öffentliche Stellung im Leben war ihrem erhabenen Berufe durchaus nicht angemessen. Man erhob sie im Bereiche der Phantasie, und erniedrigte sie in der Wirklichkeit. In den ältesten Zeiten blieben sie eingeschlossen und in sclavischer Abhängigkeit erhalten, gekauft und verkauft, zu den härtesten Arbeiten angehalten, geringgeschätzt. Im Zeitalter des Sokrates wurden die Töchter der Vornehmen zwar nicht mehr als Sclavinnen verkauft, sie erhielten sogar von den Vätern einen Brautschatz, dennoch aber sahen sie sich in ihrem 15. Jahre und oft noch früher ungefragt an ihnen unbekannte Jünglinge und Männer verheirathet. Bis zu dieser Zeit lebten die atheniensischen Jungfrauen in den Gynäceen (Frauengemächern) eingeschlossen, bloß auf den Umgang ihrer Mutter und Sclavinnen beschränkt. Für eine höhere wissenschaftliche oder künstlerische Ausbildung ward nicht Sorge getragen. Zeichnete sich eine Frau durch glänzende Talente aus und verstand sie denselben aus eigenen Mitteln Geltung zu geben, so war diese Erscheinung eine so außerordentliche, daß man ihr Altäre und Bildsäulen errichtete, sie bekränzte und in Gesängen feierte. Im Allgemeinen beschränkte man sie auf die Pflichten der Gattin, Hausfrau und Mutter, man trug Sorge, daß sie so wenig als möglich außer dem Hause und von Unbekannten sich sehen ließen. Von allen öffentlichen Angelegenheiten, allen ernsteren Geschäften der Männer waren sie ausgeschlossen, keine Gelegenheit zu geistiger Unterhaltung und Belehrung wurde ihnen dargeboten; das Gesetz betrachtete sie als durchaus abhängig vom Manne, so daß auch der Tod des Gatten diese Abhängigkeit nicht änderte, denn die Witwe ging aus der Vormundschaft Jenes in die ihres Sohnes über. Aber die Ehe ward hoch gehalten bei ihnen; selten ging Mann oder Frau, namentlich in den älteren Zeiten, eine zweite Verbindung ein. – Jener Zustand der Abhängigkeit schloß aber wieder auf der andern Seite keineswegs die Prunksucht, Ueppigkeit und den Luxus, besonders zur Zeit der höchsten Blüthe der Republik, aus. Lucian schildert die Prachtliebe der Athenienserinnen mit grellen Farben. Nach ihm schminkten sie sich mit den zartesten und theuersten Farben, salbten ihr Haar mit den kostbarsten Wohlgerüchen Arabiens, färbten Wimper und Augenbrauen, brannten das Haar und malten es blond, trugen vielfarbige, enge Schuhe, weiße, durchscheinende Kleider, beluden Finger und Arme, Stirne und Busen mit Edelsteinen, goldenen Spangen, Ketten und Ringen, badeten sich in aromatischen Essenzen und verschwendeten viel in goldenen und silbernen Gefäßen, Spiegeln, Büchsen etc. So geschmückt besuchten sie, da die Sitten ausarteten, öffentliche Feste oder verdächtige Mysterien der Götter. – In Sparta waren die Jungfrauen nicht eingeschlossen, sie nahmen sogar mit den Knaben und Jünglingen an allen Leibesübungen in den Gymnasien Theil, durch welche Gesundheit, Schönheit und Stärke befördert wird. Hinsichtlich der Besuche genossen spartanische Frauen eben so viel Freiheit, wie die Männer; auch war ihre Kleidung nicht so verhüllend und schwerfällig, wie die der übrigen Griechinnen; sie war vielmehr so eingerichtet, daß die Schönen, ohne aufzufallen, alle körperlichen Reize offenbaren konnten. Diese männlichen, gymnastischen Uebungen, zu welchen die spartanischen Jungfrauen durch die bestehenden Gesetze verpflichtet wurden, gaben ihnen zwar auf der einen Seite den Vortheil, daß körperliche Schönheit, männlicher Muth, Standhaftigkeit und Vaterlandsliebe sich ausgezeichnet entwickelten und befestigten; aber auf der anderen Seite hatten sie auch den Nachtheil, daß durch Kühnheit, durch gesteigerte Ansprüche und Unsittlichkeit das schöne Bild zarter Weiblichkeit und sittsamer Schüchternheit verloren ging. Zu Aristoteles Zeiten war weibliche Tugend in Sparta weit seltener als öffentliche und staatsbürgerliche, und das weibliche Geschlecht war in so hohem Grade ausgelassen, daß die spartanischen Frauen und Jungfrauen allen übrigen Griechinnen zum Aergerniß dienten. Ihre Ansprüche waren eben so ungemessen, wie ihre Herrschaft über die entarteten Männer. Sie hießen nicht nur Herrinnen, sondern sie waren es auch. Die Gemahlin des edlen Königs Leonidas antwortete einer Griechin, welche sie der Herrschsucht beschuldigte: »Wir verdienen über Männer zu herrschen, weil wir auch Männer gebären!« – Die weiblichen Geschäfte der übrigen Griechinnen bestanden theils in Besorgung der Haushaltung, im Weben, Wirken und Spinnen. Odysseus Gemahlin Penelope (s. d) galt für ein Muster des Fleißes. Gleich berühmt war Arachne (s. d). Sie verfertigten ihre eigenen, wie auch die männlichen Kleider. Auch das Mahlen, Backen, Kochen und Wassertragen war weibliche Beschäftigung. Selten erfreuten sie sich des Ausgehens, noch seltener des Umganges mit dem männlichen Geschlechte; dieser beschränkte sich nur auf die nächsten Anverwandten. Die Mitgift der Tochter bei der Verheirathung bestand in weiblichem Schmucke, einem Theile der Heerde etc. Zur Erziehung gehörte wesentlich Musik und Tanz. Unter den Saiteninstrumenten war die Lyra, unter den Blasinstrumenten die Flöte am gewöhnlichsten; die Gesänge waren größtentheils mythisch oder historisch, seltener erotisch. Ihre ganze Geistesrichtung war schon wegen der Sinnlichkeit ihrer Religion mehr sinnlich und praktisch, als erhaben und religiös nach unsern Begriffen. Die Mütter säugten ihre Kinder selbst und hielten dieß für eine heilige Pflicht. Ihre Kleidung bestand aus einem langen Oberkleide, das oft reich gestickt und gewirkt war; der Kopf wurde immer, die Füße nur beim Ausgehen bedeckt. Nie durften sie unverschleiert außer dem Hause erscheinen. In Athen führte man die Bräute vor der Verheirathung in den Dianentempel vor die Bildsäule der Göttin, eine Feierlichkeit, die mit Gebeten und Opfern verknüpft war. Bei der Hochzeit wurde sowohl das verlobte Paar, als das Haus der Hochzeitfeier mit Blumen und Kränzen geschmückt. Gegen Abend wurde die Braut dem Bräutigam aus dem väterlichen Hause zugeführt entweder zu Fuß oder im Wagen. Vor ihr her trug man Fackeln, sang Hymenäen und tanzte. Beim Eintritte in das Haus schüttete man Feigen und andere Früchte über die Neuvermählten aus. Dann setzte man sich zum Gastmahl, welches gleichfalls von Musik und Tanz begleitet wurde. Vor der Thüre des Schlafgemaches wurden von Jünglingen und Jungfrauen am folgenden Morgen Epithalamien gesungen. Diese Feier währte mehrere Tage. – Wir gehen jetzt zur Schilderung der neugriechischen Frauen über. Wie die Frauen der alten Hellas, sind auch sie auf ihre Zimmer beschränkt, und dürfen nur selten aus, gehen. Auch sie verseufzen lange, traurige Stunden in ihren abgelegenen Gynäceen, das Loos der Vornehmen ist nur durch einen höhern Wohlstand von dem der Bäuerin verschieden, die von ihrem Manne schlecht behandelt und zur beschwerlichsten Arbeit angehalten wird. Die Zeit ihrer Erholung bringen die Reichen in den Schwitzbädern zu, wo sie sich salben, Augen und Wimpern färben und Mährchen erzählen lassen. Am Tische des Gatten mit zu speisen, würden sie für eine Beleidigung desselben halten. Im Allgemeinen zeichnen sie sich wie ihre Ahnen durch körperliche Schönheit aus. Ihre Haltung ist frei, das Betragen gewandt und der Gang leicht. Man trägt den Kopf hoch, den Körper gerade und mehr nach hinten übergebeugt. Die Augen sind voll Glut und Leben, besonders sind die Einwohnerinnen der Insel Mikoni wegen ihrer langen, seidenen Augenwimpern berühmt. Man liebt die Augenbrauen stark gewölbt und über die Nase zusammenlaufend. In Athen haben die Frauen einen schönen Hals, dessen Bewegungen äußerst anmuthig sind, und die Art, wie sich der Kopf demselben anfügt, erregt Bewunderung. Sie haben einen herrlichen Anstand und ihre Mienen sind eben so freundlich, als anmuthig Sie heirathen schon mit dem 14. oder 15. Jahre; aber schon im 20. ist ihre Schönheit verblüht, was man dem zu häufigen Gebrauche der warmen Bäder zuschreibt. Manche werden schon im 11. und 12. Jahre mannbar. Für ihren Unterricht wird sehr Wenig gethan; sie lernen nur spinnen, stricken und weben, höchstens tanzen und das Tambourin dazu schlagen. Geht eine vornehme Griechin aus, so läßt sie sich von ihren Mädchen und Sclavinnen begleiten. Junge Mädchen dürfen nur mit ihren Eltern öffentlich erscheinen. Stehen sie vor dem Hause und erscheint ein Fremder, so ergreifen sie vor diesem die Flucht. Neuere Reisende schildern die Griechinnen in den verschiedenen Gegenden des Landes, vielleicht nicht ohne poetische Zugabe, auf folgende Art: »Die Griechinnen in Morea sind die schönsten und tugendhaftesten. Ihr Land ist warm, ihre Arbeit sehr leicht, ihre Luft rein und ihre Felder sind reich an duftigen Blumen. Ihr Wuchs ist hoch und edel, ihr Auge feurig, Lippen und Zähne sind idealisch. Sie verfertigen ihre Kleider selbst und bekränzen sich gern mit Blumengewinden. Die Spartanerinnen sind blond, schlank, ihr Gang vor Allem edel. Die Messenierinnen sind klein, voll, haben reizende Züge, große blaue Augen und lange schwarze Haare; der Fuß, den sie stets entblößt tragen, ist unendlich schön. Ihr Land ist voll Blumen, sie selbst sind die herrlichsten von allen. – Die Arkadierinnen sind zwar höchst regelmäßig gebildet, hüllen aber ihre Körper sehr ungraziös in weiße Leinwand. – Die Jonierinnen sind üppig und leidenschaftlich; sie stehen früh auf, um sich wieder auf einduftiges Polster zu strecken, worauf sie die sehr sein geformte Hand stützen und im leichtesten Gewande ihren Morgentrank genießen. Später am Tage schlummern sie wieder ein; der Kopf ruht auf den vollen Armen, die sich unter ihm verschlingen, und Sclavinnen wehen ihnen Kühlung zu Nach einem kurzen Schlummer gehen sie in's Bad, spielen in dem marmornen Becken und lassen sich von den Dienerinnen mit duftigen Salben begießen. Dann werden sie geschmückt und bekränzen sich selbst mit Rosen und Akazien« – Liest man diese glänzende Schilderung, so muß man bedauern, daß diese herrlichen Geschöpfe, die unter dem mildesten, gesegnetsten Himmelsstriche wohnen, in geistiger Kultur, Aufklärung und Selbstständigkeit so weit hinter den andern europäischen Frauen zurückstehen; doch wie jetzt Griechenland im Begriffe ist, mit einem Aufwand aller Kräfte, mit raschen Schritten in die Reihe der kultivirten Reiche Europa's einzutreten, wird auch den dortigen Frauen bald eine neue schönere Morgenröthe, die der Freiheit, der socialen Emancipation, Licht und Segen bringend aufgehen!

– n.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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