- Griechenland (Kunst)
Griechenland (Kunst). (Kunst.) Eine Kluft von mehr als zwei Jahrtausenden liegt zwischen der Gegenwart und jener Zeit, da Griechenland blühte. Doch wie das Schöne, das Ideal aller Kunst, unsterblich ist, weil die Darstellung als die Veräußerung des Innern, eine höchste Stufe ihrer Vollendung zu erreichen, ewig streben wird, so muß auch die Größe des Alterthums fortleben in der Anerkennung, in der dankbaren Bewunderung aller kommenden Geschlechter. Unter allen Völkern der Erde waren die Griechen das erste, dessen Wesen und Verfassung die freie Entwickkelung einer Blüthe der Künste ermöglichte und gedeihen ließ. Wohl hatten das dunkle Aegypten und der fabelhafte Orient lange schon vor der christlichen Zeitrechnung Perioden gehabt, die an Leistungen einzelner Künste überreich waren, deren Denkmale noch heute mit Staunen erblickt werden; doch waren es bei Weitem nicht die Nationen, sondern vielmehr ausschließlich herrschende oder doch bevorzugte Stände, vor allen die Kasten der Priester, aus deren Mitte jene Sterne emporflammten und verblichen. Eine durchgängige Erwärmung des Volkes für die Kunst und ihre Bestrebungen finden wir zuerst unter den Griechen. Unter keinem Volke gelangten die Künste schneller und glänzender zu jenem Höhepunkte, den jede Nationalkultur einmal zu erreichen pflegt; kein Land aber auch hat wie Griechenland 2000 Jahre hindurch in Ketten schmachten müssen, um endlich, von den Klängen seiner einstigen Größe neu umrauscht, wieder aufzutauchen aus dem dunkeln Meeresgrunde der Knechtschaft zu dem jungen Tage der Selbstständigkeit, den tausend Sonnen der Vergangenheit zu dem lichtesten verklären. – Eine Uebersicht der Kunstgeschichte Griechenlands kann daher nur bis zu der Zeit fortgeführt werden, wo mit der Unterwerfung durch die Römer das Land zur römischen Provinz umgestaltet wurde; eben so wenig aber kann der jüngsten Vergangenheit gedacht werden, deren Früchte nach Jahrzehnden erst aufgehen werden und dann erst einen Ueberblick zulassen können. Es begreift daher der gegenwärtige Abriß nur die Kunstgeschichte des alten Griechenlands, das von den Schleiern der Mythe allmälig zu historischer Wahrheit entkleidet bis 146 vor Christus, wo es die Römer eroberten, herabreicht. – Als die erste der schönen Künste kann die Baukunst betrachtet werden, auf sie folgt die Blüthe der Skulptur; Malerei und Musik gehören weit inniger der christlichen Zeit an. und eine einzige Kunst ist, die alten Zeiten und Völkern gleichmäßig eigen ist, die Poesie. Von dem Rohen und Riesenhaften der indischen und ägyptischen Baukunst gingen die Griechen zuerst zu einer edeln und erhabenen Einfachheit über; es bildeten sich die verschiedenen Säulenordnungen, in deren frühester, der dorischen, der Minerventempel in Athen und die Propyläen noch heute prangen. Eine spätere Periode charakterisiren die ionischen und korinthischen Säulen, die wir an zahlreichen Theatern, Gymnasien, Marktplätzen und Säulengängen sehen. Mit dem peloponnesischen Kriege und unter Alexander wich man von der reinen Schönheit ab, jene einfache Hoheit artete in gesuchte Zierlichkeit aus, ein immer kleinlicherer Geschmack nahm überhand und die Römer ahmten darin später den Griechen nach. Mehr noch, als die Architektur bildeten Griechenlands Künstler die Bildhauerkunst zu einem eigenthümlichen Kunststil aus, der sich selbstständig und unabhängig von den allegorischen Arbeiten Indiens und Aegyptens unter Phidias zu einem idealen erhob, nachdem Dädalus mit seinen Schülern in das Dunkel' der Mythe zurückgedrängt worden. Phidias, 444 vor Christus der große Plastiker, der Schöpfer der weltberühmten Pallas Minerva und des olympischen Jupiter, eröffnete die Reihe trefflicher Bildner. Unter ihnen glänzte Praxiteles, der die unsterbliche mediceische Venus, den Eros und Bacchus und die Diana schuf und der Vater des graziösen Stils zu nennen ist. Nach ihm verfiel die Kunst auf zügellos unsittliche Darstellungen, die in der Zierlichkeit und Portraitähnlichkeit ihr einziges Ziel und Verdienst fanden. Der Periode Alexander's gehörte Lisippus von Sikyon an; bald nachher begannen mit den macedonischen Kriegen die Kunstplünderungen der Römer, unter deren Herrschaft jede nationelle Regung, also namentlich die der Kunst, völlig unterdrückt war. Von den Denkmälern griechischer Skulptur sind nächst zahlreichen Büsten der Koloß von Rhodus, den Chares von Lindus goß, die Gruppe des Laokoon und der farnesische Herkules und Stier die berühmtesten. Viele Gemmen zeugen von der Höhe der Vollkommenheit, auf welcher sich die Steinschneidekunst befand. Was nun die Malerei anbelangt, so ist der Zustand dieser Kunst bei den Alten überhaupt ein sehr mangelhafter. Theils war der Sinn des Alterthums im Allgemeinen mehr plastisch und die ausgezeichnetern Talente wandten sich mehr zur Bildhauerkunst, theils war die Kenntniß der Farben und ihrer Mischung, wie alle Naturwissenschaften, höchst mangelhaft. So kannten denn auch die Griechen, deren Malerkunst von Zeichnungen und Schattenrissen (Skiagrammen und Monogrammen) ausging, Anfangs nur eine Farbe, und jene Vasengemälde, Monochromen, mit schwarzen Figuren sind die ältesten Ueberreste. Auch auf die Malerei, wie auf alle andern Künste übten die Perserkriege einen wichtigen Einfluß; Pannáos und vorzüglich Polygnotos bereiteten das Erscheinen der beiden größten Maler des Alterthums vor, von deren Geschicklichkeit die Geschichte Alexander's die unglaublichsten Wunder erzählt, Zeuxis und Apelles (s. d.). Mit ihnen aber war auch die schönste Blüthe abgewelkt und die Malerei, welche von den Alten überhaupt fast ausschließlich auf die Darstellung historischer Gegenstände beschränkt ward, gerieth in gänzlichen Verfall. Unter dem römischen Joche wurden die civilisirteren Griechen die Lehrer ihrer Unterdrücker und ein großer Theil trefflicher Fresken, wie sie in Pompeji und Stabiä ausgegraben worden, mag von griechischen Meistern herrühren. Die Musik kam von Aegypten nach Griechenland und fand dort die günstigste und liebste Heimath; die Kunstgeschichte nennt nicht nur viele Namen ausübender Künstler, wie den des Sakkades und des Damon, sondern andere noch, die sich um die Theorie der Musik und die Verbesserung der Instrumente die größten Verdienste erwarben, wie Lasios, Pythagoras, Timotheos Milesios u. A. Wie alle Wissenschaften und Künste sank auch die Tonkunst mit dem Verfall des griechischen Staats. Trotz der untergeordneten Stellung, in welcher sie von ihrer Abhängigkeit erhalten wird, ist die Schauspielkunst unter allen schönen Künsten die wirksamste. Sie hat ihre Begründung tief in der Natur des Geistes und Gemüthes, ihre Wirksamkeit wird durch den Hang zu ihr bedingt. Dieser findet sich bei allen Völkern, bei den rohesten selbst, wie verschieden er sich auch zuerst in Waffentänzen, Pantomimen, Opferfesten u. A. äußert. Wenn man die Rhapsoden nicht wohl zu den Schauspielern zählen kann, mit denen sie Nichts gemein hatten, als die Oeffentlichkeit ihrer Vorträge, so muß Phrynichos als der Erste genannt werden, der Personen handelnd auf der Bühne einführte. Um die Zeit des Demosthenes (s. d.) nahm die Schaulust des Volkes so zu, daß sich bestimmte Leute dem Schauspielerstande widmeten, der in Athen aus mehreren Gesellschaften bestand und beim Volke ein großes Ansehen genoß. Ausgezeichnete Künstler, wie Polos, Aristodemus und Theodorus, wurden auf das Höchste geehrt, man rief und klatschte ihnen Beifall zu, beschenkte sie mit Kränzen; ihre Namen wurden in den Schulen angeschlagen und ihnen selbst Statuen errichtet, Redner drängten sich um ihren Unterricht und lernten von ihnen Declamation und Gestikulation Das erhabene Kleblatt der größten Tragödiendichter, Aeschylos, Sophokles und Euripides (s. d.), welche die Darstellung in wirkliche Handlung umwandelten und in der Anwendung des Chors eine der großartigsten Ideen in's Leben riefen, bezeichnet die Blüthenzeit der griechischen Tragödie.
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